Wir suchten uns eine neue Trainerin, die auf schwierige Hunde spezialisiert ist. Ihre Anamnese war, dass Hugo in der Prägephase keine Beißhemmung gelernt hat. Wir vermuten, er ist viel zu früh von der Mutter weg, wahrscheinlich sogar von einem Vermehrer. Wir haben keine Auskunft mehr erhalten vom Vorbesitzer.
Es ging ins Training., jede Woche Einzelunterricht und Gruppentraining, dazu täglich, mehrfache Trainingseinheiten und ab dem Zeitpunkt sind wir nicht mehr mit beiden Hunden gleichzeitig rausgegangen, da wir dachten, es passiert nur, wenn die beiden zusammen draußen sind (bis dahin war es auch so). Wir übten, die Frustrationsgrenze zu erhöhen (hierzu habe ich damals einen Thread eröffnet und auch grob erzählt, was passiert ist). So, nun ist es so, dass ich der Hundemensch bei uns bin, mein Freund hält sich da eher raus. Seit August bin ich über Monate abends getrennt mit den beiden gelaufen und habe trainiert. Einzig morgens bin ich mit beiden Hunden gleichzeitig raus. Wenn hier, zum Glück nur äußerst selten, ein Hund kam und gebellt wurde, ging er auf mich los. Ich habe einen Ganztagsjob und stand mächtig unter Stress durch die ganze Situation. Wir haben Fortschritte gemacht, gehofft und hatten starke Rückfälle. Immer wieder kam es zu Angriffen durch Hugo, der nur noch mit Maulkorb rausging. Trotz Abwehr- und Rücktreibungsübungen. Durch das Hundetraining hatte ich gelernt, eine stärkere Körperhaltung anzunehmen, meine Hektik abzulegen und – was mir am schwierigsten gefallen ist – mich körperlich gegen meinen Hund durchzusetzen. D.h. ihn bei einem Angriff zu packen, auf die Seite zu schmeißen und nach unten zu drücken, bis er sich beruhigt hat. Das konnte dann schon mal ein paar Minuten dauern. Wir haben im Training die Situation provoziert, er ist auf die Trainerin los, wir waren im Tierheim und haben dort trainiert (viele Hunde, viel Bellerei), er griff an. Ich wurde bei Hundebegegnungen immer nervöser, hatte körperliche Symptome wie Herzrasen, Schweißausbrüche und wacklige Knie, wenn ich mit Hugo unterwegs war. Wochenlang ist nichts passiert auf unseren Spaziergängen, wir waren allein und er hat die anderen Hunde überwiegend ignoriert. Aber er fing an, ganz stark auf alle möglichen Geräusche zu reagieren. Vögel, Kindergeschrei, Jaulen, hohes Bellen – er hing dann sofort immer in der Leine. Auch ging er nicht wie die meisten Hunde spazieren. Pinkeln, Haufen, Schnüffeln, markieren? Fehlanzeige. Breitbeinig lief er neben einem her und hat nur die Gegend gecheckt. Naiv wie ich war dachte ich, ok, solange es nur passiert, wenn Hannibal dabei ist, kann ich damit umgehen. Dann kam der Tag, der mich eines Besseren belehrte. Hugo war an der Schlepp und ich habe ihm einen Biotane-Maulkorb angezogen, da ich ja dachte, pöh, allein passiert nix. Dachte, dann hat er es etwas bequemer als mit seinem Drahtmaulkorb. Ein freilaufender Hund, weit und breit kein Mensch zu sehen, kam und ging ohne zu zögern auf Hugo los. Der sich natürlich gewehrt hat. Das ging nur ein paar Sekunden so, dann zog der Hund weiter. Hugo drehte sich zu mir um und griff mich an. Der blöde Maulkorb verrutschte und er hat mir in den Unterarm gebissen. Ganze dreimal. War durch die dicke Jacke abgefedert, also wurde es nur grün und blau. Es dauerte Ewig, bis der kleine Kerl sich beruhigt hatte und wir weitergehen konnten. Es kam dann auch endlich das Herrchen des fremden Hundes, wir fingen dann noch an zu diskutieren. Währenddessen ging Hugo wieder auf mich los. Ich musste einen riesen Umweg nach Hause gehen, da ich mich nicht mehr getraut habe, die hundereiche Strecke zurückzunehmen. Und ich war so unendlich traurig. Alles Training für die Katz. Entspanntes Spazierengehen nicht mehr möglich. Alles nur noch Stress. Ich war am Ende mit meiner Kraft, mit meinem Latein. Einen Hund das ganze Leben lang „unterbuttern“ müssen, mich ihm körperlich entgegensetzen, nur noch getrennt mit meinen Hunden unterwegs? Ist es das wert? Zumal ich immer das Gefühl hatte, einer der beiden kommt zu kurz. Dann die Gedanken: Was ist, wenn Hugo Hannibal angreift? Ich hatte das Gefühl, ich werde wahnsinnig… Es kam das Thema Abgabe auf (das kam in der Verzweiflung immer mal wieder auf, wurde dann aber auch wieder verworfen). Geht es ihm woanders, bei jemanden, den er für sich alleine und der mehr Zeit hat, besser? Wie hoch ist die Gefahr, dass er zum Wanderpokal wird? Wenn man einen „schwierigen, beißauffälligen Hund“ hat, steht man ziemlich alleine da. Tierheime in der Umgebung hätten ihn alle nicht aufgenommen, alle Organisationen für schwierige Hunde sind überfüllt. Wir haben dann versucht, ihn über das Tierheim Hilden und unsere Trainerin als Privatabgabe über FB zu vermitteln. Keine Chance. Das war Anfang Dezember. Hugos Verhalten steigerte sich weiter: ich bin im Wald weggerutscht, er wollte auf mich drauf, wir sind einen Abhang runter, er wollte auf mich drauf. Meine Schwäche war ein Auslöser. Unsere Trainerin sagte bereits am Anfang, dass andere, bellende Hunde nur „ein“ Auslöser sei, es würde sich evtl. noch steigern. Hat es. Es kam wie es kommen musste, Ende Dezember griff er uns zu Hause im Keller an. Wir kamen vom Spaziergang, ich hatte ihn grad nackig gemacht – Maulkorb aus, Halsband/Geschirr ab. Mein Freund und ich haben uns gestritten wegen Hugo – ebenfalls ein Dauerzustand der letzten Monate. Ich habe geweint und quitschig gesprochen. Und Hugo ging auf mich los. Mein Freund hat das zum Glück beobachtet und sich Hugo gepackt. Bzw. versucht, ihn zu packen. Er hat zugebissen, mal wieder in den Unterarm, diesmal in den meines Freundes. Der halbe Arm war aufgerissen. Er kämpfte mit ihm, da Hugo nix anhatte, war er sehr schwer zu packen. Mit Mühe und Not haben wir es zu zweit geschafft, ihn so festzuhalten, dass wir den Maulkorb wieder draufmachen konnten.
Damit war für mich eine Grenze überschritten. Jetzt konnte ich mich zu Hause nicht mehr frei bewegen, ohne Angst zu haben, Hugo greift an. Die Option, nur noch mit Maulkorb zu laufen, war für mich keine. In der Not habe ich meine Tierärztin angerufen, was wir machen können.
Und jetzt kommt die Hellhound Foundation ins Spiel.
Unsere Ärztin, die uns übrigens bereits im August zur Abgabe geraten hat, hat Vanessa von der Orga angerufen. Sie selber, bzw. das Tierheim in Bispingen, ist zurzeit völlig überbelegt mit knapp 70 Hunden – Aufnahme keine Chance. Aber es befand sich eine Trainerin, Vera, aus Bad Pyrmont, die mit den Hellhounds kooperiert, vor Ort und hat sich bereit erklärt, Hugo aufzunehmen und mit ihm zu arbeiten.
Teil 3 folgt