An eurer Stelle würde ich in den nächsten Wochen viel Zeit mit dem Akita verbringen.
Ganz besonders auch Zeit mit ihm allein, ohne euren eigenen Hund.
Und dann würde ich die Rassebeschreibungen vergessen und mich ganz auf diesen einen Akita konzentrieren, der da vor mir steht.
Ich würde versuchen, ihn kennen zu lernen, zu sehen wie er in den unterschiedlichen Alltagssituationen reagiert.
Wie reagiert er auf andere Hunde im Allgemeinen.
Wie reagiert er auf Menschen unterschiedlichen Alters, Männer, Frauen, Kinder.
Wie ausgeprägt ist sein Jagdtrieb.
Hat er irgendwelche Unsicherheiten/Ängste, z.B. bei lautem Knallen, großen Männern, Angst vor Händen, Stöcken und dergleichen.
Wie kommt er mit Verkehr klar, wie mit Menschenansammlungen z.B. in der Stadt, im Restaurant.
Fährt er problemlos im Auto mit, wie sieht es mit dem Alleinbleiben aus.
Wie stark ist sein Schutzinstinkt.
All das würde ich langsam erkunden, zuerst mit ihm allein, dann mit eurem Hund dabei.
Schauen, ob es Unterschiede in seinem Verhalten gibt, wenn er allein oder zu zweit unterwegs ist.
Dann würde ich ihn auch schon mit zu euch nach Hause holen und schauen, wie er dort reagiert, wie euer Hund dort reagiert.
Insbesondere, wenn er mehrmals bei euch war.
Und aus all diesen Puzzleteilen setzt sich dann der Hund zusammen, der leibhaftig vor dir steht.
Und dann wären die beiden wichtigsten Fragen für mich, ob ich mit diesem Hund und dieser Hund mit mir glücklich werden kann, so wie er aktuell ist.
Auch wenn ich an einigen eingefahrenen Verhaltensmustern vielleicht nicht mehr viel ändern kann.
Welche das sein werden, kann dir hier keiner sagen, das musst du selbst herausfinden und schauen, ob du (und natürlich dein Hund) damit leben könnten.
Das heißt ja nicht, dass du nicht versuchen sollst, an Problemen zu arbeiten, aber könntest du auch akzeptieren, wenn es sich nur etwas bessert, er aber z.B. immer wieder mal an der Leine zieht und später nicht überall frei laufen kann?
Ich würde davon ausgehen, dass ich bei einem 5jährigen Hund noch ein paar Ecken abschleifen kann, aber komplett ändern wird er sich nicht mehr.
Euer großer Vorteil ist, dass ihr lange Zeit habt, um ihn richtig kennen zu lernen und zu beurteilen, ob das passen könnte.
Dazu braucht ihr keine Rassebeschreibungen, sondern nur Ehno selbst.
Was das Selbständige betrifft, nach meiner Erfahrung ticken diese Hunde durchaus anders. Aber eigentlich war ich der Meinung, dass Dackel/Jack Russel auch eine gewisse Selbständigkeit besitzen, so dass es ja nicht komplett ungewohnt für dich sein sollte.
Meine Hündin ist ebenfalls sehr selbständig, sie war etwas über ein Jahr als ich sie bekam und wir haben in all den Jahren viel erreicht.
Und das ist ein weiterer wichtiger Punkt, sei dir klar darüber, dass es wirklich Jahre dauern kann bis ein bereits erwachsener Hund mit gewissen Vorerfahrungen, der dann auch noch eher eigenständig ist, eine wirkliche Bindung aufbaut.
Nach dem ersten Jahr mit Kira hätte ich geschworen, dass dieser Hund sich niemals richtig binden wird.
Heute ist unsere Bindung stark, belastbar und so tief wie ich das nie gedacht hätte. Aber das hat sich von Jahr zu Jahr vertieft, nicht von Woche zu Woche wie bei einem Welpen.
Und das was den Kern ihres Wesens betrifft, bei ihr der Jagdtrieb, das konnten wir nicht ändern. Meine wichtigste Erkenntnis diesbezüglich war dann irgendwann, dass ich es gar nicht mehr ändern wollte. Stattdessen habe ich Wege gefunden, wie wir beide gut damit umgehen können und habe gelernt, sie zu lesen. Heißt, wann kann ich ableinen, wann nicht, wie kann sie ihrem Trieb kontrolliert nachgehen.
Da hat sich also nicht der Hund geändert bzw. dazu gelernt, sondern ich.
Der Knackpunkt ist, herauszufinden, was machbar ist und was nicht. Und sich mit dem, was nicht machbar ist anzufreunden, auch wenn man dann neue Wege gehen muss, die so nicht in Büchern stehen.