Du hast doch anscheinend Erfahrung mit HSH.
Von dir sind aber keine kompetenten Beiträge zur Erziehung und Ausbildung eines HSH gekommen.
Oder wie sich ein HSH verhält, der nicht von seinem Besitzer versaut wurde.
Das ist richtig - es gab ja auch keinen Anlass dazu hier über Erziehung und Ausbildung von Herdenschutzhunden zu philosophieren. Niemand hatte je eine Frage dazu.
Der einzige, der nicht aufhören kann, das Thema immer wieder auf's Tapet zu bringen, bist du. Warum du das für nötig hälst oder was du versuchst zu beweisen, ist mir immer noch nicht klar. Aber wenn es dir ein Anliegen ist - meinetwegen. Dann erzähle ich dir ein wenig über Erziehung, Beziehung, Führung und Ausbildung von Hunden und was da bei den Herdenschutzhunden evtl. ein wenig "besonders" ist.
Die Grundlage für alles, das wir mit Hunden tun, ist die Beziehung, die wir zu ihnen aufbauen und aufrecht erhalten. So wie das mit Menschen auch ist, gibt es Hunde mit denen man sofort eine gute connection hat und andere, bei denen es ein wenig braucht. Grundsätzlich gilt aber, dass eine Beziehung Zeit braucht sich zu entwickeln - deshalb gehört es dazu jedem neuen Hund diese Zeit auch zu geben, ihn kennenzulernen und ihm die Möglichkeit zu geben mich als Menschen kennenzulernen.
Führung ist ebenso nur im Rahmen einer Beziehung möglich - genau genommen ist sie ein bestimmter Aspekt einer Beziehung. Es ist möglich auch fremde Hunde einfach mal so in die Hand zu nehmen und durch eine Situation zu führen. Aber um bereits vorhandene Probleme nachhaltig zu lösen, braucht es normalerweise mehr als mal eine schnelle Hauruck-Einheit. Weil es ohne Beziehung halt einfach nicht läuft. Was ist Führung nun? Führung bedeutet weder als erster durch die Tür zu gehen, noch dem Hund eine zu knallen, wenn er nicht macht, was man will, noch ihm sein Futter unter der Nase wegzunehmen oder ähnliche Dinge, die sich in den Jahrzehnten so herumgesprochen haben. Führung bedeutet auch nicht, den Hund von allem fern zu halten, was im entferntesten mal schwierig oder stressig sein könnte und ihn in einer rosaroten Zauberblase leben zu lassen.
Führung hat viele Facetten, aber der wichtigste Aspekt oder die grundlegende Idee ist,
sein Ziel zu kennen und den Weg dorthin zu gehen - alle anderen (Hunde oder Menschen) folgen von selbst, das muss man ihnen nicht auferlegen. Das freiwillige Folgen ist übrigens ein essentieller Punkt: Wer unter Zwang führt, führt nicht - er würde nur gern... Miriam Cordt hat dazu eine schöne Übung, bei der sie Hundehaltern auf einer Fläche einen Punkt zuweist, ihnen den Hund in die Hand gibt und sagt "geh in einer geraden Linie dorthin - egal, was der Hund macht". Es ist sehr spannend wieviele Menschen nicht von A nach B gehen können, weil sie sich von ihren Hunden vom Weg abbringen lassen.
Nun stellt sich natürlich die Frage, was das konkret bedeutet. Was macht jemanden zu einer Person, der andere freiwillig folgen?
1) Den anderen mit Respekt behandeln, sich kümmern und schützen: Führen ist ein ziemlich anstrengender Job. Es mag ein paar Privilegien bringen, aber in erster Linie bringt es viel Verantwortung. Die Aufgabe einer Person, die führen möchte, ist es sich darum zu kümmern, dass es allen gut geht. Es geht darum zu sehen, dass in einer Gruppe keine Spannungen herrschen, soziale Unterstützung anzubieten (emotionalen Halt zu geben), wenn es mal jemandem nicht gut geht und sich in einer Gefahrensituation schützend vor die anderen zu stellen. Sprich man sollte die Person sein, an die sich gewendet wird, wenn etwas nicht rund läuft. Das wird aber nur passieren, wenn man verlässlich ist, sich tatsächlich kümmert (und nicht nur so tut) und jeden grundlegend mal so sein lässt, wie er ist. Dann folgen andere freiwillig
2) Verantwortung übernehmen: Etwas, das in unserer Gesellschaft leider nicht besonders akzeptiert ist, ist es Fehler zu machen & zu scheitern. Daher ist es bei vielen Menschen fast schon normal, dass sie die Schuld an ihrer Situation immer bei anderen oder den Umständen suchen. Verantwortung für die eigene Situation zu übernehmen und somit eigene Fehler einzugestehen, hat Seltenheitswert. Das geht so weit, dass es bis heute immer wieder vorkommt, dass Menschen mit ihren Hunden schlampig oder schlecht trainieren und bei jeder versauten Prüfung ist dann wahlweise der Richter oder der Hund schuld. Fakt ist: man kann an einer Situation nur etwas ändern, wenn man Verantwortung dafür übernimmt und den eigenen Anteil daran erkennt (der ist es nämlich, den man real beeinflussen kann). Fehler sind auch nichts Schlimmes, sondern völlig normal und gehören zum Lernprozess dazu. Wenn ich nun also einen Hund immer wieder in Situationen bringe, für die er einfach noch nicht bereit ist (auch außerhalb sportlicher Prüfungen), so ist nicht der Hund blöd, weil er das noch nicht kann und auch nicht der Vorbesitzer oder der Züchter ein Idiot, weil er das dem Hund nicht beigebracht hat, sondern man selbst sollte für sich erkennen können, dass man diesen Hund in sein Leben geholt und anschließend in diese Situation gebracht hat. Darauf aufbauend kann man sich Strategien überlegen, wie es in Zukunft funktionieren soll (zB indem man den Hund langsam an die Situation heranführt und ihm beibringt, damit umzugehen).
3) Fairness: Ich finde zwei Aspekte von Fairness im Umgang mit Hunden besonders wichtig und hier hapert es im Alltag vieler Hundehalter meistens auch gewaltig.. Zum Einen sollte man eine klare Linie haben, dh dass es einfach unfair ist manche Verhaltensweisen manchmal zu akzeptieren oder gar (unbewusst) zu fördern, um sie ein anderes mal abzustrafen. Zum Anderen sollten Hunde nicht in Situationen gebracht werden, denen sie nicht gewachsen sind, um nachher dafür bestraft zu werden, dass sie es eben nicht sind. Wenn ich nun also erzählt bekomme, wie ein Dame zum ersten Mal in die Hundeschule (Gruppenstunde) kommt, dort erzählt, dass ihr Hund ein Problem mit Männern hat und der Trainer nichts Besseres zu tun hat, als als erste Übung „jeder Mann in der Runde greift dem Hund mal auf den Kopf“ zu machen (natürlich mit hübschen Leinenrucks, Gezische und „Neins“, sollte der irgendwie reagieren), so hat dieser Trainer in seiner Führungsaufgabe doppelt versagt. Der Dame und dem Hund gegenüber, weil er sie ohne Vorbereitung in eine unmögliche Situation bringt und allen männlichen Kursteilnehmern gegenüber, weil er sie in die Gefahr bringt, gebissen zu werden. Wenn er so einen ****** schon abziehen will, soll er gefälligst seine eigenen Hände löchern lassen.
4) Entscheidungen treffen, hinter ihnen stehen und bereit sein sich umzuentscheiden, wenn sie Müll waren: Das große Privileg des Führenden (ich sage, wo es lang geht) ist tatsächlich für viele Menschen eine Herausforderung. Entscheidungen zu treffen ist nämlich vor allem dann, wenn es nicht um Kleinigkeiten geht, eine Krux. Wer Entscheidungen trifft, trägt die Verantwortung und der will man dann auch gewachsen sein. Manche Entscheidungen sind schwierig, aber es ist immer besser eine Entscheidung zu treffen und nachher zu erkennen, dass es die falsche war, als nicht zu entscheiden. Wer nicht in der Lage ist Entscheidungen zu treffen, für den entscheiden andere (Menschen, wie Hunde). Nachdem das alles sehr abstrakt ist, kann man sich natürlich fragen, wie das dann konkret im Zusammenleben mit Hunden aussehen kann.
Ein Beispiel wäre dafür, wer entscheidet wo und wie man zB bei einem Spaziergang hin geht. Während man kleine Hunde im Zweifelsfall mal ein Stückchen ziehen kann, wird das bei größeren Hunden schon spannend. Wer seinen Hund nicht über den Asphalt schleifen will, hat evtl. auch beim kleineren Hund ein Problem, wenn der nicht hin will, wo man selbst hin will. Wenn ich aber Entscheidungen treffen und sie durchziehen will, bedeutet das, dass ich - wenn es drauf ankommt - auch die Richtung bestimme (man erinnere sich - gehe von A nach B unabhängig davon was dein Hund macht). Wenn sich Hund nun entgegenstemmt, kann das bedeuten, dass man selbst in die andere Richtung steht. Es durchzuziehen bedeutet den längeren Atem zu haben. Manche Hunde werden nach ein paar Sekunden mitkommen, bei anderen kann man da auch mal ein wenig Zeit einplanen. Nun kommen wir zu dem Teil "sich umentscheiden, wenn sie Müll waren" ... während man sich bei einem Hund, wo viele Dinge evtl. noch ungeklärt sind, mit diesem Spielchen viel Respekt verdienen kann, so ist das richtig daneben, wenn ich das bei einem Hund macht, der eine bestimmte Richtung aus einem bestimmten Grund meidet, beispielsweise weil ihm die Situation Angst macht (zB weil ich ihn auf eine Brücke oder einen Untergrund schleife, den er nicht kennt oder fürchtet). Hier ist es sinnvoll und wird auch Resprekt bringen (statt mindern), wenn man dies erkennt und umentscheidet. Und so nebenbei: wenn man eine gute, bestehende Beziehung hat, ist es auch nicht schlimm oder sogar gut, wenn man den Hund mal die Richtung wählen lässt. Im Falle des Falles macht es aber Sinn, es nicht zu tun. Wer schon bei der Entscheidung "wo gehen wir heute hin" nicht umsetzen kann, was er sich vorstellt, wird einen selbstbewussten Hund schwerlich davon überzeugen können, dass ein potentieller Feind (zB ein Besucher, der Postbote oder was auch immer) ungefährlich ist.
5) Den anderen fordern und fördern: Es gibt den schönen Spruch "Wir lieben die, die an uns glauben." Und um diesen geht es mir in diesem Punkt. Hunde zu fördern, sie an Herausforderungen wachsen zu lassen und ihnen etwas zuzutrauen, ist so ein essentieller Punkt, der so gerne vernachlässigt wird. Man glaubt nicht, was es mit einer Beziehung machen kann, wenn man, dass Hunde im Rahmen ihrer persönlichen Fähigkeiten Herausforderungen erfolgreich (und selbstständig) meistern dürfen. Führen bedeutet nunmal nicht sich selbst größer zu machen. Führen bedeutet dem anderen zu helfen zu wachsen.
Kommen wir zur Erziehung: diese bedeutet für mich dem Hund beizubringen, wie man sich im ganz individuellen Alltag zurecht findet und benehmen soll. Je nach Lebensumständen kann Erziehung völlig unterschiedliche Schwerpunkte haben. Beim Leben in der Stadt wird man viel Energie über den allgemeinen Umgang im Stadtleben (Straßenverkehr, Begegnungen mit Menschen, Hunden, Kindern, Radfahrern & Co.) aufwenden, während man sich am Land evtl. mehr auf Jagdverhalten und Wildbegegnungen konzentriert. Das meiste lernen Hunde tatsächlich nebenbei, wenn sie im Alltag mitlaufen. Manche Dinge - vor allem die, wo es Probleme gibt - verlangen sehr gezieltes Training. Wie das aussieht hängt von der Situation, dem Hund und den jeweiligen Wünschen zum Endergebnis ab. Erziehung ist aber vor allem dann leicht, wenn es bereits eine intakte Beziehung gibt und Mensch erfolgreich führt. Dann kommt es im konkreten Fall meist nur auf ein wenig Trainingstechnik an. Wenn es grundlegende Beziehungsprobleme gibt, wird das Training tricky. Manchmal klappt es gar nicht, an anderer Stelle kann man ein Problem lösen, es taucht aber an anderer Stelle ein neues auf.
Ausbildung ist der Teil, der für mich eine Sonderstellung einnimmt. Schlicht, weil ich es zwar gut finde, wenn Hunde arbeiten dürfen und gefördert werden, viele Hund-Mensch Teams aber auch ohne gut klar kommen. Es setzt sich allerdings immer mehr durch, dass (auch sportliche) Ausbildung vom restlichen Training getrennt wird. So haben meine Hunde am Hundeplatz zB andere Kommandos, als im Alltag. Ich rufe meinen Hund im Alltag nicht mit "Hier" und ich nehme ihn auch nicht in's "Fuß". Ich möchte nämlich, dass meine Hunde spezifische Dinge am Hundeplatz sehr schnell und präzise ausführen können und es wäre sinnbefreit mir die viele Arbeit, die ich in ein Kommando gesteckt habe, im Alltag verwässern zu lassen.