Ähnliches kann man auch bei Kindern beobachten, deren Eltern sich unberechenbar verhalten. Einerseits sind sie komplett auf die Fürsorge angewiesen, andererseits können sie sich darauf nicht verlassen. Somit tun sie schlicht ihr bestes, um die nötige Fürsorge und Bindung sicher zu stellen. Also bemühen sich immer dann, wenn in ihren Augen die Möglichkeit dazu besteht, ganz besonders um "gut Wetter".
Die Folgen davon sind leider tiefgreifend. Auf lange Sicht wirkt es sich auf die Bindungsfähigkeit, vor allem aber auf die Bindungsmuster aus. Egal ob Hund oder Kind, sie sind irgendwann kaum noch in der Lage, eine sogenannte sichere Bindung aufzubauen. Sondern zeigen je nach Typ unsicher-vermeidende, ambivalente oder schlimmstenfalls sogar desorganisierte Bindungsmuster.
Außerdem hält die ständige Erwartungsunsicherheit den Stresspegel hoch. Das Gefühl der Selbstwirksamkeit, also Einfluss auf die eigene Situation zu haben, ist ein essentielles Bedürfnis. Wird dieses dauerhaft und tiefgreifend verletzt, macht das einen enormen Stress. Die Kompensationsversuche (wie eben Meideverhalten und Versuche einer Bindungsgestaltung) sind schon anstrengend, gibt der Betroffene auf spricht man von einer erlernten Hilflosigkeit. Was ein dauerhaft erhöhter Stresspegel mit der Gesundheit macht, ist wohl bekannt. Nur wird oft gerade beim Hund die Verbindung zwischen gesundheitlichen Problemen und der psychischen Belastung nicht hergestellt. Zum Nachteil der Hunde.
ergänzend möchte ich noch hinzufügen, dass sich der Bindungsstil eines Kindes im ersten Lebensjahr entwickelt und mit dem 2. LJ abgeschlossen ist. D.h., bei Menschen ist es so, dass sich danach der Bindungsstil nicht mehr ändert. Mögliche Fehlentwicklungen sprich eventuelle Symptome von Krankheitswert können aber sehr wohl behandelt werden.
In dem beschriebenen Fall könnte ich mir vorstellen, dass der Hund die Empfindungen spürt, die hinter den impulsiven Ausbrüchen stehen und diese zum Einen spiegelt. Hinter diesen unkontrollierbaren Ausbrüchen steckt vermutlich eine tiefe Traurigkeit, die der Mensch nicht spüren kann oder darf, weil sie so stark ist. Zum anderen ist das zweierlei - nämlich was der Hund spürt UND erlebt - so verwirrend, dass er Abstand nimmt, bis der Mensch wieder einschätzbarer wird.
Ich denke auch, soweit wie ich das bislang verstanden habe, dass ein sensibler Hund (und das scheint der hier zu sein) unter diesen Umständen seinen Menschen nicht als rundum Sorglospaket wahrnimmt. Ob der Hund einen Erwartungsstresspegel ausbildet weiß ich nicht, kann ich mir aber eher nicht vorstellen - das würde man dem Hund auch in ruhigen Phasen bestimmt irgendwie anmerken?