Wie ich in der Vorstellung gelesen habe, verfügt die TE über 20 Jahre Hundeerfahrung und sucht einen
Zweithund.
In dem Zusammenhang fände ich es wichtig ein paar Dinge über den Ersthund zu wissen, Rasse, Alter, Charakter.
Da der Ersthund wohl kein HSH (oder Mix) ist, denke ich, das ist evtl. ein Argument gegen einen HSH.
Allerdings finde ich, dass malifan nicht ganz Unrecht hat, was die allgemeine Beurteilung von HSH angeht.
Ich war, bis vor kurzem, genau der selben Meinung wie die meisten User hier, ein HSH gehört an eine Herde und nicht als Familienhund in ein Wohngebiet.
Vor etwa 3 Jahren fand ich es daher äußerst unschön, als eine türkische Familie, die ein paar Häuser weiter wohnt, sich 2 Kangale anschaffte.
Der Rest der Bewohner in unserer Straße dachte ebenso.
Wir wohnen hier ländlich, das Haus steht frei, hat einen relativ großen Garten, der hinten an einen Bach grenzt, dahinter verläuft die Hauptdurchgangstraße. Zu beiden Seiten grenzt der Garten an Nachbargrundstücke.
Die Familie zog einen Zaun, etwa 1,8 Meter hoch, Zu unserer Straßenseite undurchsichtig, es gibt einen Bereich von etwa 2 Metern neben dem Haus, wo der Garten auch an unsere Straße grenzt. Ansonsten ein Metallzaun, durch den sowohl die Hunde als auch die Fußgänger/Nachbarn alles sehen können.
Etwa die Hälfte des Gartens hat die Familie extra eingezäunt, mit niedrigem Maschendraht und dort halten sie 2 Schafe.
Die Hunde bellen, wenn jemand in unserer Straße entlang geht und sie bellen, wenn, durch den Bach getrennt, jemand an der Hauptstraße vorbei geht.
Das Bellen störte mich nicht weiter, aber man konnte von der Hauptstraße aus sehen, wie sie teils gegen den Zaun sprangen und ich hatte manches Mal die Befürchtung, er könne nicht standhalten.
Wenn man den Mann draußen mit den Hunden sah, waren sie in unserer Straße immer angeleint.
Ich fand mich also mit den Gegebenheiten ab, wollte ihnen aber nicht begegnen.
Man sah den Mann auch meist nur, wenn er die Hunde in den Kofferraum ließ und ich ging davon aus, dass er andernorts mit ihnen unterwegs ist.
Vor etwa eineinhalb Jahren ging ich eines Morgens mit Kira los zum Morgenspaziergang.
Als ich in der Hälfte unserer Straße ankam, kam mir eine Frau entgegen, die ebenfalls 2 Hunde hält und warnte mich, weiter zu gehen.
Die Kangale wären frei, ihr Herrchen wäre ihnen hinterher gelaufen und sie hätten am Ende vom Feldweg gerade einen Labrador angegriffen.
Sie wäre mit ihren Hunden schnellstens umgekehrt, das Herrchen wäre an ihr vorbei gelaufen in Richtung seiner Hunde.
Sie hätte ihm dann ordentlich die Meinung gesagt und ihm mitgeteilt, dass seine Hunde gerade einen anderen Hund angreifen.
Er wäre blass und aufgeregt los gerannt.
Ich kehrte natürlich ebenfalls schnellstens um, brachte Kira heim und dachte mir dann, dass das so nicht geht und ich ein Wort mit dem Herrn reden muss. Schließlich will ich nicht jedes Mal Angst haben, wenn ich mit Kira aus dem Haus gehe.
Ich muss leider gestehen, dass ich auch ordentlich wütend war.
Ich ging also allein die Straße wieder runter und sah den Mann mir entgegen kommen, beide Kangale an der Leine.
Im Nachhinein betrachtet war es nicht besonders clever, angesichts meiner damaligen Meinung von den Hunden, dem Mann so wütend entgegen zu treten. Nicht meine Sternstunde.
Bevor er etwas sagen konnte, machte ich meine Ansage.
Dass ich einen Hund habe, was er ohnehin wusste, und dass ich nicht jeden Morgen mit der Angst aufbrechen möchte, dass seine Hunde irgendwo frei herumlaufen und meinen angreifen.
Dass er seine Hunde sichern müsste und so etwas wie heute gar nicht geht.
Er sagte, das sei ein unglücklicher Vorfall gewesen, seine kleine Tochter hätte das Tor nicht richtig zugemacht, es wäre keinem aufgefallen und als er die Hunde in den Garten ließ, hätte er nicht nachgesehen. Was nicht mehr vorkommen würde.
Sobald er es bemerkt hätte, wäre er ihnen hinterher gelaufen.
Ich sagte ihm, er könne sich seine Rechtfertigungen sparen, er solle dafür sorgen, dass sie nicht noch mal frei draußen herumlaufen, weil das sonst Konsequenzen hätte. Ich war immer noch aufgeregt.
Da sagte er, er würde sich freuen, wenn ich mit ihm käme und meinen Hund solle ich auch mitbringen, er würde mir zeigen, dass seine Hunde nicht gefährlich sind. Ich war wirklich fassungslos und sagte nur, das täte ich sicher nicht, drehte mich um und ging heim.
Zu Hause angekommen beruhigte ich mich erst mal und als das passiert war, war ich dann auch wieder in der Lage, vernünftig zu denken.
Wie gesagt, bis heute schäme ich mich für mein damaliges Verhalten, es gibt eigentlich keine Rechtfertigung dafür, aber wenn es um Kira und Angriffe geht, dann habe ich es bis heute, trotz Training
, noch nicht geschafft, ruhig zu bleiben.
Meine Achillesferse.
Als ich also wieder klar denken konnte, fiel mir auf, dass die beiden Hunde ja die ganze Zeit dabei waren.
Ich hatte sie völlig ausgeblendet, war nur Armeslänge von ihrem Herrchen entfernt und hatte dem eine ganze Menge aufgeregte Emotionen um die Ohren gehauen.
Und was haben die "bösen Monster" gemacht? Sie waren so ruhig und unauffällig, dass ich vergessen hatte, dass sie da waren.
Das brachte mich dann endgültig zur Besinnung, weil, wie konnte es sein, dass die Hunde nicht mal geknurrt hatten, nicht gedroht hatten, gar keine Abwehr zeigten?
Sie blieben genauso ruhig wie ihr Herrchen, etwas was mir auch besser zu Gesicht gestanden hätte.
Also musste ich handeln. Ich ging schnurstracks zu seinem Haus, ohne Kira, und klingelte.
Ich schämte mich fast in Grund und Boden und dachte, er hätte jetzt jeden Grund, gar nicht erst aufzumachen.
Er machte auf, strahlte übers ganze Gesicht, griff meinen Arm und zog mich ins Haus.
Er freue sich, dass ich da sei, ob ich Kaffee wolle. Bevor ich antworten konnte, rief er seine Frau, sie solle Kaffee für uns machen.
Dann sagte er mir, ich solle seine Hunde jetzt mal richtig kennenlernen.
Ging mit mir in den Keller, machte die Tür auf und bevor ich wusste wie mir geschah, stand ich im Garten, die Hunde kamen beide sofort auf mich zugelaufen und ich fühlte mich nicht besonders wohl angesichts der auf mich zulaufenden Riesen.
Der Mann stand etwa einen Meter hinter mir und sagte gar nichts.
Die beiden Hunde stoppten vor mir, beschnupperten mich von beiden Seiten ausgiebig, dann legten sie sich zu meinen Füßen, einer drehte sich sogar auf den Rücken. Herrchen hatte die ganze Zeit kein einziges Wort gesagt, jetzt sagte er, ich könne sie ruhig streicheln.
Tat ich dann auch ausgiebig und verliebte mich augenblicklich in diese beiden großen Teddybären.
Daraufhin entschuldigte ich mich endlich und er erzählte ein bisschen.
Er hatte beide Hunde, die gar nicht verwandt sind wie ich immer dachte, aus schlechter Haltung bei sich aufgenommen.
Menschen, die unterschätzt hatten, was HSH bedeutet.
Sie wären ansonsten wohl eingeschläfert worden, was er nicht ertragen konnte, weil er die Hunde aus seiner Heimat kannte, quasi mit ihnen groß geworden war.
Er erzählte mir, dass er ein ganzes Jahr lang fast jeden Tag bis nach Saarbrücken (von uns aus etwa 40km einfacher Weg) zu einem Trainer gefahren war, der sich auf HSH spezialisiert hatte. Und in jeder freien Minute hätte er mit ihnen draußen und zu Hause trainiert.
Seine Arbeit hätte sich ausgezahlt, er hätte eine Kneipe bei einer Sportstätte in einer anderen Ortschaft (was ich natürlich auch nicht wusste) und seine Hunde würden dort, sowohl am Sportplatz als auch in der Kneipe frei laufen.
Sie hätten nie irgendjemandem etwas getan.
Sie würden den Garten bewachen, das stimmt und zu den Straßenseiten hin verteidigen.
Die Nachbarn würden sie mittlerweile kennen und nicht mehr verbellen, zu den beiden anderen Seiten.
Es sollte natürlich niemand in den Garten eindringen und an die Schafe gehen oder auch sonst "einfach so" in den Garten spazieren.
Das wäre aber auch alles.
Seine Hunde wären unerlaubt spazieren gegangen, weil das Tor nicht richtig verschlossen war, das wäre sein Fehler und er würde ihn beheben, das käme nicht mehr vor. Die Frau, die ich getroffen hatte, hatte seine Hunde zwar mit dem Labrador gesehen, in etlicher Entfernung, und ihm selber einen furchtbaren Schrecken eingejagt, als sie sagte, sie würden einen Hund angreifen.
Da sie auch an seiner Kneipe und auf dem Sportplatz oft fremde Hunde treffen und nie etwas passiert wäre, konnte er sich das nicht erklären.
Es stellte sich heraus, nachdem er ein paar schreckliche Minuten gerannt war, dass seine Hunde wild mit dem Labrador spielten.
Der genauso wild mitmachte, während dessen Herrchen relaxt an der Seite stand.
Er nannte mir den Namen des Hundes, den ich sehr gut kenne, samt Herrchen.
Einer der wenigen Freunde von Kira, mit dem sie immer frei läuft.
Wir tranken also unseren Kaffee, ich entschuldigte mich bestimmt 20 Mal und er lachte nur.
Er sei froh, dass wir das geklärt hätten und ich wäre, mit Kira, immer herzlich willkommen.
Ich habe an diesem Tag eine Riesenlektion bezüglich Vorurteilen in mehrfacher Hinsicht und anständigem Verhalten gelernt.
Von daher denke ich, dass sowohl malifan als auch der Trainer im Video nicht ganz unrecht haben.
Allerdings steht und fällt es mit der Motivation des Halters, die Hunde richtig zu führen und ein wirklich kompetenter Trainer sollte auch parat stehen.
Wenn jemand das wirklich will, dann ist es in den meisten Fällen sicher machbar, auch diese Hunde in unsere Gesellschaft zu integrieren.
Solange man sie nicht in der Stadt in ein Mehrfamilienhaus sperrt, ohne irgendeinen Bezug zur Natur.
Sprich einen Garten, also ein eigenes Revier, eine (wenigstens kleine) Aufgabe und anderweitige Auslastung.
Wobei diese beiden Kangale eigentlich nur die beiden Schafe im Garten "bewachen" und ansonsten ihr Herrchen zur Arbeit begleiten.
Wenn er frei hat, fährt er mit ihnen in die Natur und geht dort mit ihnen Gassi wie wir mit unseren Hunden auch.
Besuch ist kein Problem, solange einer der Familie dabei ist, werden alle so freudig begrüßt wie ich.
Allerdings sollte niemand an die Schafe gehen oder seine kleine Tochter auf den Arm nehmen, wenn weder er noch seine Frau dabei sind.
Dann würde derjenige zumindest gestellt.
So wie es viele Schäferhunde auch tun würden.