Das hat sich mittlerweile total verändert. Es gibt die Palliativpflege, zu der auch speziell in der Schmerztherapie ausgebildete Ärzte gehören. Eine Schmerzfreiheit wird in der Regel immer erreicht nach dem Stufenschema der WHO.
Die Palliativpflege kann zu Hause stattfinden und auch im Krankenhaus.
Ich kenne die ambulante Palliativpflege sehr gut und habe sie dieses Jahr bei einer guten Bekannten hautnah mitbekommen.
Sie hatte vor einigen Jahren Brustkrebs, Anfang diesen Jahres wurden Leber,- und Knochenmetastasen festgestellt, nicht therapierbar.
Nach einigen Krankenhausaufenthalten beschloss die Familie, dass sie zu Hause sterben solle und organisierte diese Pflege.
Aber, sie hatte auch noch einen rüstigen Mann, der ständig bei ihr war und beide Söhne wohnten im Umkreis von 5 Kilometern. Meine Freundin, ihre Schwiegertochter, kümmerte sich um die Organisation und die Palliativpflege.
Meine Freundin war an ihrem Sterbetag bei ihr, es ging von vormittags bis abends um 10 Uhr. Ja, sie bekam hochdosiert Medikamente gegen die Schmerzen, ganz schmerzfrei war sie aber trotzdem nicht.
Insbesondere wenn sie bewegt werden musste, weil das Bett frisch gemacht werden musste oder weil sie gewaschen werden musste.
Es war defintiv etwas ganz anderes als bei meinem Vater, wobei der im Krankenhaus dann tatsächlich friedlich eingeschlafen ist, weil er damals dort alles bekam, was er brauchte.
Allerdings kenne ich den natürlichen Tod, den du beschreibst auch. Das war bei meiner Oma der Fall, ich war als Einzige bei ihr und ja, sie ist friedlich hinübergegangen, sie hatte ein akutes Linksherzversagen und während meine Mutter verzweifelt versuchte, den Arzt zu erreichen, saß ich bei ihr.
Sie war friedlich und irgendwie "einverstanden" als sie ihren letzten Atemzug tat und ja, es war irgendwie berührend.
Meiner Meinung nach hast du Recht damit, dass es leichter für den Sterbenden sein kann, wenn er sein Ende akzeptiert und bereit ist, loszulassen.
Vor ein paar Wochen ist mein Patenonkel verstorben. Er war in der heutigen Zeit ein "besonderer" Fall, weil er sich seit 20 Jahren weigerte, einen Arzt aufzusuchen. Vor etwas über 20 Jahren wurde eine Carotisstenose bei ihm diagnostiziert, ein einfacher Routineeingriff hätte Abhilfe schaffen können, er hatte schon den Termin im Krankenhaus, als er sich plötzlich weigerte, diesen Eingriff durchführen zu lassen.
Die Folge war, dass er seit gut 15 Jahren unter ständigen Schwindelattacken litt, sich oft hinlegen musste und allgemein dadurch zunehmend eingeschränkt wurde.
Egal was wir sagten, er ging zu keinem Arzt mehr und mit Ausnahme von dem freiverkäuflichen ASS nahm er auch keine Tabletten.
Letztes Jahr dann bemerkte er ein Muttermal an seinem Oberschenkel, das sich veränderte. Er erzählte mir davon und ich riet ihm dringend, sofort zu einem Arzt zu gehen und dieses Muttermal entfernen zu lassen. Er weigerte sich.
Anfang diesen Jahres fing es an zu bluten, seine Frau machte ihm daraufhin täglich einen Verband, das ASS wurde abgesetzt und das wars.
Wenn ich sagte, er solle sich um Gottes Willen behandeln lassen, sagte er nur, dass es Zeit wäre und er bereit wäre, zu gehen.
In den letzten 8 Wochen war er dann bettlägerig, hatte Schmerzen. Seine Frau gab ihm Paracetamol, sonst nichts. Für alles andere hätte man ja einen Arzt gebraucht, das war immer noch tabu.
Er hatte riesiges Glück, seine Frau pflegte ihn liebevoll, sie wusch ihn, wir besorgten einen Toilettenstuhl.
Dann kam der Tag, wo er sich in Krämpfen wand und seine Frau die Notärztin rief. Selbst da weigerte er sich, ins Krankenhaus zu gehen, aber jetzt bekam er wenigstens etwas bessere Schmerzmedikamente.
Sozialstation, Palliativpflege, das lehnte er alles ab.
Ich war jede Woche bei ihm und habe das alles hautnah mitbekommen. Ein Sterbeprozess wie er heutzutage natürlicher nicht sein kann.
Dann wollte er nicht mehr essen und als er auch das Trinken einstellte, kamen die unvermeidlichen Krampfanfälle. Bei einem dieser Anfälle verlor seine Frau dann die Nerven (sie ist 83) und rief den Notarzt und mich. Als ich kam, war er schon unterwegs ins Krankenhaus, wir folgten.
Er hatte eine Patientenverfügung, im Krankenhaus bekam er lediglich Schmerzmittel, keine Flüssigkeit, keine Nahrung.
Er wurde gewaschen, der Verband erneuert, fertig. Seine Frau bekam ein Bett ins Zimmer, 2 1/2 Tage später starb er.
An seinem Todestag war ich nachmittags bei ihm. Im Gegensatz zu meiner Oma war er sehr unruhig und er hatte trotz Medikation sichtlich Schmerzen. Allerdings war er völlig klar im Kopf, erkannte uns alle.
Gestorben ist er dann in der Nacht, absolut ruhig, seine Frau, die im Bett daneben lag, bekam es nicht mit. Eine Viertelstunde vorher hatte sie noch nach ihm gesehen, als die Nachtschwester kam, war er eingeschlafen.
Also ein Tod, so natürlich, wie er heutzutage überhaupt möglich sein kann. An dem Nachmittag als ich bei ihm war, hatte ich allerdings nur den einen Gedanken im Kopf, warum kann man das nicht sanft beenden, warum muss er sich doch noch so quälen. Von der ruhigen "Feierlichkeit" wie bei meiner Oma war da nichts zu spüren und das, obwohl er nicht am Leben hing und schon lange gehen wollte und auch seine Frau schon lange damit abgeschlossen hatte.
Ich kann nur sagen, wenn man ertragen muss, dass sämtliche Organe nacheinander versagen, dann ist das kein feierlicher, friedlicher Tod, egal wie abgeklärt man ist. Beim Herzversagen meiner Oma war das ganz anders, sie durfte schnell "nach drüben".
Daher würde ich immer versuchen, meinen Tieren einen Tod durch Organversagen zu ersparen.
Allerdings muss ich auch zugeben, dass ich froh bin, dass ich diese Entscheidung bisher nie treffen musste.